Der Meister, der übt
„Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen“
Sprichwort
Meisterschaft in der Achtsamkeit
Sicher kennst du das oben zitierte Sprichwort. Doch ist das wirklich so? Ist noch kein Meister vom Himmel gefallen? In der buddhistischen Tradition gibt es da einen ganz anderen Ansatz, nämlich das Bild des Meisters, der übt.
„Ich bin ein Meister, der übt“, und zwar von Anfang an. Was soll denn das bitte heißen? Wenn ich mit etwas beginne, egal ob mit einer Ausbildung, einem Musikinstrument oder mit Achtsamkeit bin ich doch kein Meister. Ich kann doch noch gar nichts! Na ja, oder fast nichts auf jeden Fall, Ich muss doch noch unendlich viel lernen, damit ich vielleicht irgendwann ein Meister darin werde. Vielleicht gelingt es mir sogar niemals, ein Meister zu werden in dem, was ich gerade anfange zu üben.
Das Gefühl der Unzulänglichkeit
Was vermittelt dieses Bild? Ich bin unzulänglich, so wie ich jetzt bin. Wenn ich ganz fleißig bin und ganz viel über, kann ich vielleicht irgendwann zu den Meistern in diesem Bereich gehören. Aber momentan bin ich ein Nichts, ein kleines Würstchen, das nichts kann und nichts wert ist. Ok, das ist etwas überspitzt formuliert. Aber es trifft den Kern der Sache ganz gut.
Wir werden meist von klein an dazu erzogen, uns unzulänglich und defizitär zu fühlen, Und zwar nicht unbedingt von unseren Eltern, sondern vor allem von Lehrern, Professoren und der Gesellschaft. Unsere Erziehung folgt einem „defizitorientierten Ansatz“. Soll heißen, es geht nicht darum, was wir gut können, sondern stets darum, was wir nicht können. Glaubst du nicht? Dann stell dir mal folgende Situation vor: du bist in der Schule und hast ein Diktat geschrieben. Du hast ein super Gefühl, und als du es zurück bekommst hast du tatsächlich alles richtig geschrieben, ist das nicht toll? Klar, ist es. Aber was steht unter deinem Diktat?
Da steht: „0 Fehler“!
Das bedeutet, selbst wenn du etwas perfekt gemacht hast, steht da noch das Wort „Fehler“. Da steht nicht, dass du hunderte von Wörtern richtig geschrieben hast, sondern das Wort „Fehler“ ist in der Bewertung schon vorgegeben. Leider folgt unsere gesamte Erziehung diesem Muster, das sich in der Ausbildung oder an der Uni dann weiter fortsetzt.
Du bist etwas wert
Was hilft uns nun nun „Meister, der übt“?
Wenn du dich selbst als Meister siehst, der übt (und wohl bis an sein Lebensende üben wird, denn das tun wahre Meister), bekommst du als Person dadurch einen anderen Wert. Du bist nicht mehr das kleine, dumme Würstchen. Du bist jemand, der sich einer neuen Aufgabe mit voller Leidenschaft zuwendet. Du weißt zwar, dass du vieles noch nicht kannst oder nicht weißt, doch du wirst jeden Tag besser. Und genau deswegen bist du bereits ein Meister! Klingt das überheblich? Nein, denn echte Meister sind bescheiden und prahlen nicht mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten.
Auf dem Pfad der Achtsamkeit
Folge also auf deinem Weg zur Achtsamkeit dieser Vorstellung, dass du ein Meister bist, der übt. Dieses Bild kann dir dabei helfen, dich selbst in einem anderen Licht zu sehen. Freue dich jeden Tag über deine Fortschritte und wenn es mal gefühlt rückwärts geht, dann sieh dich nicht als Versager, sondern als das, was du bist: „Ein Meister, der übt“!